Neue Regeln machten das zweite TV-Duell zivilisierter. Beim Thema Corona gerät Trump in die Defensive. Biden sorgt mit einem Hitler-Vergleich für Aufsehen.
Washington Sie hatten sich also doch noch etwas zu sagen. Tatsächlich gab es bei der TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten in der Nacht zum Freitag phasenweise einen Austausch von Argumenten. Ganz ohne Zwangsmaßnahmen ging das nicht: Während ein Kandidat zu einem neuen Thema Stellung nahm, wurde das Mikrofon des anderen kurz stumm geschaltet.
Denn das Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden vor drei Wochen war im Chaos versunken. Nun trafen sich die Kontrahenten erneut im Studio in Nashville im Bundesstaat Tennessee. Zum letzten Mal in diesem polarisierten, aufgeheizten Wahlkampf standen sie für 90 Minuten nebeneinander im Studio. Fünf Momente stachen besonders heraus, sie verrieten einiges über den Wahlkampf.
1. Die Maske
„Eine Maske wie diese kann 100.000 Menschenleben retten“, sagte Joe Biden und hielt einen schwarzen Gesichtsschutz in die Höhe. „Ich rufe jeden auf, eine Maske zu tragen.“ Mit dieser Geste grenzte er sich in einem visuellen Medium klar von Donald Trump ab, der fast nie mit Maske auftritt.
Der US-Demokrat war immer dann stark, wenn er simple, aber wirkungsvolle Botschaften setzen konnte. „220.000 US-Bürger sind tot. Jeder, der dafür verantwortlich ist, sollte nicht mehr Präsident der USA sein“, geißelte er Trumps Reaktion auf Covid-19. „Das ist der Typ, der euch schon Ostern und im Sommer gesagt hat, dass die Pandemie vorbei ist.“ Mehr als 8,2 Millionen Menschen haben sich bislang angesteckt, jeden Tag kommen etwa 50.000 dazu.
Der Präsident war beim dringlichsten Thema dieser Zeit in der Defensive, weil die Fakten gegen ihn sprechen. „Ich selbst hatte es, mir geht es besser, ich bin immun“, sagte Trump über seine Infektion Anfang Oktober. „Die Impfung kommt“, versprach der Präsident im Studio, „wir kehren den Trend um“, im Gegensatz zu Europa, wo die Fälle gerade wieder hochgingen.
„Der Unterschied zu Europa ist, dass sie dort bei einer niedrigen Rate anfangen und wir immer oben geblieben sind“, konterte Biden, der Wissenschaftler zitierte. Ins Straucheln kam der Demokrat nur, als es um die heikle Frage eines bundesweiten Lockdowns ging. Biden konnte und wollte diesen nicht versprechen – auch aus Bedenken vor einer Rezession.
Der Covid-Dialog machte deutlich: Trump klammert sich an alte Argumente, kann aber keine Erfolge vorweisen. Und unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt, werden die USA noch lange mit dem Virus und einer historischen Wirtschaftskrise zu kämpfen haben.
2. Der Zeigefinger
„Ich denke, ich muss darauf mal antworten. Darf ich? Danke, das weiß ich zu schätzen.“ Das sagte Trump, der Biden beim TV-Duell Ende September noch 71-mal unterbrochen hatte, tatsächlich. Er meldete sich gar per Zeigefinger zu Wort. Eine verhältnismäßig zivilisierte Debatte war dadurch möglich.
Offenbar wollte Trump verhindern, dass die Zuschauer wieder reihenweise genervt abschalten. Denn auf der Wahlkampfbühne mag Trumps Wutbürger-Stil ankommen, in einem TV-Studio wirkt das schnell überdreht. Bidens Umfrageaufschwung hatte sich nach dem Chaosduell Ende September beschleunigt.
Szenen des TV-Duells
Donald Trump und Joe Biden auf der Bühne. (Foto: AFP)
Trump adressierte die Sorge vieler Menschen in der Pandemie: „Wir haben kein Land mehr, wenn wir das Land komplett geschlossen lassen“, sagte er. „New York ist eine Geisterstadt. Die Restaurants, die Geschäfte, sie sterben. Sollen die Menschen künftig in einem Plexiglas-Würfel essen? Das Heilmittel darf nicht schlimmer sein als die Krankheit.“
Immer wieder nannte er seinen Herausforderer „Joe“ und schaute rüber zu Biden, doch der starrte geradeaus oder schüttelte den Kopf. Noch vor vier Tagen hatte Trump seinen jubelnden Anhängern bei einer Veranstaltung zugerufen, die Biden-Familie gehöre „weggesperrt in den Knast“.
3. Noch ein Zeigefinger
„Was verbergen Sie?“, sagte Biden an einer Stelle und zeigte mit dem Finger auf den Präsidenten. Seit mehr als zwei Jahrzehnten veröffentlicht der Demokrat seine Steuererklärung, Trumps Finanzen bleiben hingegen im Verborgenen. Wie die „New York Times“ beschrieb, soll der Präsident als Unternehmer nur wenige Hundert Dollar Steuern pro Jahr gezahlt und Schulden bei Geldgebern aus aller Welt angehäuft haben.
Biden konnte mit dem Thema leicht Punkte machen, denn Trump konnte wieder einmal nicht plausibel erklären, warum er seine Geschäftsbeziehungen nicht transparenter macht. Die exzellente Moderatorin Kristen Welker fragte: „Wann veröffentlichen Sie Ihre Steuern?“ Trump wich aus und antwortete: „Ich werde schlechter behandelt als jeder andere Präsident.“ Diese Phase war der Tiefpunkt des TV-Duells, denn fast zehn Minuten gingen für angebliche Geldströme in die Ukraine, Russland oder China drauf, verschiedene Stränge von Vorwürfen verknoteten sich ineinander.
Das waren zehn Minuten, in denen man über Krankenhäuser, Löhne, Lebensmittelpreise oder Müllberge hätte reden können. Unterschätzen sollte man die Macht von Verschwörungstheorien allerdings nicht, im laufenden Wahlkampf ist ihr Einfluss so groß wie nie.
4. Kim Jong Un und Hitler
Es sei wichtig, dass die USA gute Beziehungen zu internationalen Staatenlenkern hätten, betonte Trump. Dass dazu auch seine Handshake-Treffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un gehören, daran ließ er keinen Zweifel. „Wir hatten auch ein gutes Verhältnis zu Hitler, bevor er den Rest von Europa überfiel“, erwiderte Biden – und unterstrich damit sein Versprechen, er werde außenpolitisch als Präsident zwischen Diktatoren und Demokraten unterscheiden.
Moderatorin Kristen Welker
Die Moderatorin Kristen Welker machte bei der letzten Debatte der Präsidentschaftskandidaten einen exzellenten Job. (Foto: AFP)
Beim Thema Außenpolitik wurden die Unterschiede zwischen beiden Politikern besonders deutlich. Bidens Ruf als Multilateralist, der viel Erfahrung in der Diplomatie mitbringt, ist etwas, worauf viele Politiker im Ausland hoffen. Trump hatte während seiner Amtszeit auch in der Außenpolitik seinen Ansatz „America first“ verfolgt – und würde die Tendenz bei einer Wiederwahl verschärfen.
Ein Nachtrag am Rande: Trump kam zu einem anderen Zeitpunkt auf Deutschland zu sprechen. Als es um Klimaschutz ging, wiederholte er seine Behauptung, Windräder „wie sie China und Deutschland haben“, seien teuer, töteten Vögel und würden „mehr Gase freisetzen als beim Fracking“.
5. Kinder in Käfigen
Im Endspurt zur Wahl setzte Trump auf ein bewährtes Rezept aus dem Jahr 2016: „Ich bin euretwegen angetreten, wegen Obama. Weil ihr so einen schlechten Job gemacht habt“, sagte Trump im Studio. So plump der Vorwurf auch sein mag, erklärt er doch zum Teil, warum Trump bis heute bei rund 40 Prozent der US-Bürger beliebt ist. Denn Biden trägt politische Altlasten mit sich herum, er ist angreifbar für Versäumnisse der Obama-Regierung. Eine umfassende Einwanderungsreform etwa gelang Obama und seinem damaligen Vize Biden nicht.
Der Demokrat versprach nun schnelles Handeln im Fall eines Wahlsiegs und attackierte Trump für seinen radikalen Anti-Flüchtlings-Kurs. 545 Kinder, die an der Grenze aufgegriffen wurden, hätten ihre Eltern bis heute nicht wiedergefunden. „Das ist kriminell.“ Der traurige Schlagabtausch erinnerte daran, dass in den USA, eigentlich eine Nation der Visionäre, die großen Herausforderungen brachliegen.
Quelle: https://www.handelsblatt.com