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Deutscher Verdächtiger im Fall Maddie

„Denken Sie bitte an die Schwere der Tat“

Fall Maddie: Deutscher Sexualstraftäter unter Mordverdacht
Heiße Spur im Fall Maddie: Christian Hoppe (links) vom Bundeskriminalamt im Gespräch mit Aktenzeichen XY … ungelöst-Moderator Rudi Cerne.(Foto: dpa)

In der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ nennt ein BKA-Ermittler Details zum 43-jährigen Deutschen, der verdächtigt wird, Madeleine McCann getötet zu haben. Und er appelliert an andere Betroffene, sich zu melden.

„Jetzt bittet die Kriminalpolizei wieder um Ihre Mithilfe“, begrüßt eine Stimme aus dem Off die Zuschauer der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY … ungelöst am Mittwoch. In der Regel geht es nun um Banküberfälle, Einbruchsserien und nicht geklärte Morde in ganz Deutschland. Doch diese Sendung wird anders werden, das macht der Moderator mit seinen ersten Worten klar. „Wir beginnen mit einer Nachricht, die es in sich hat“, sagt Rudi Cerne. „Im Fall Madeleine McCann, dem vermissten dreijährigen Mädchen, gibt es einen Tatverdächtigen.“

Die Britin ist seit 13 Jahren spurlos verschwunden. Die Familie McCann machte gemeinsam mit Freunden an der portugiesischen Algarve Urlaub, als „Maddie“ am Abend des 3. Mai 2007 aus einem Zimmer einer Apartmentanlage im Ferienort Praia da Luz verschwand. Der Fall löste eine gewaltiges Medienecho aus, Fotos des blonden Mädchens mit dem auffälligen dunklen Strich im rechten Auge gingen um die Welt. Im Laufe der Ermittlungen galten irgendwann auch ihre Eltern als verdächtig – und wurden entlastet. Eine wirkliche Spur zu Maddie gab es nie. Bis jetzt.

„Hier ist jetzt der Mann, der sich mit seinem Team berechtigte Hoffnungen macht, den Fall klären zu können“, sagt Cerne – und begrüßt Christian Hoppe im TV-Studio, leitender Kriminaldirektor beim Bundeskriminalamt (BKA). „Die drängendste Frage gleich zu Beginn: Haben Sie Madeleine McCann gefunden?“, fragt der Moderator. „Diese Frage muss ich leider mit einem klaren Nein beantworten“, sagt sein Gast. Das BKA gehe aber aufgrund seiner Ermittlungen von der Annahme aus, „dass Madeleine einem Tötungsdelikt zum Opfer gefallen ist“. Die gemeinsamen Nachforschungen von BKA, Metropolitan Police (Scotland Yard) in Großbritannien und der portugiesischen Polícia Judiciária hätten zu einem deutschen, möglichen Tatverdächtigen geführt, der wegen Sexualstraftaten vorbestraft sei.

Ein erster Hinweis auf den Mann ging bereits 2013 ein

Bereits im Oktober 2013 gab es Hoppe zufolge nach einer Aktenzeichen-XY-Sendung einen ersten Hinweis auf den Mann. Damals hatten Madeleines Eltern Gerry und Kate McCann im deutschen Fernsehen über den Fall ihrer Tochter gesprochen. Die Informationen hätten allerdings nicht für Ermittlungen „und schon gar nicht für eine Festnahme“ ausgereicht, so der Ermittler. Zum zehnten Jahrestag des Verschwindens habe es dann einen zweiten Hinweis auf denselben Mann gegeben – doch auch jetzt brauche es noch weitere Belege zum Tatnachweis oder Verdachtsausschluss. Trotz dieser Formulierung scheint sich Hoppe sicher, hinter dem richtigen Mann her zu sein.

„Die Informationen, die wir bei unseren Ermittlungen gewinnen können, führen uns immer mehr zu der Überzeugung, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um den Täter handeln könnte“, sagt Hoppe. Während die britischen Ermittler den Fall Madeleine McCann der Daily Mail zufolge immer noch als Vermisstenfall betrachten, ist das in den trinationalen Ermittlungen federführende BKA offenbar sicher: Maddie ist tot. Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Braunschweig sei bereits ein Verfahren „wegen des Verdachts des Mordes“ eingeleitet, sagt Hoppe im deutschen Fernsehen.

Dass das Verfahren in Niedersachsen initiiert wurde, hat bürokratische Gründe: Der Tatverdächtige war zuletzt in Braunschweig gemeldet. Es handelt sich Hoppe zufolge um einen 43-Jährigen, der aktuell in Deutschland wegen eines anderen Sexualdelikts und Rauschgifthandels in Haft sitzt. Nach Informationen der Braunschweiger Zeitung war der Mann Ende 2019 wegen der Vergewaltigung einer 72-jährigen Amerikanerin in Praia de Luz 2005 zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden – eben jenem Ort, aus dem auch Madeleine verschwand. Aktuell soll er allerdings nicht in Niedersachsen, sondern in Kiel im Gefängnis sitzen. Nach dpa-Informationenn war er in Schleswig-Holstein bereits vor dem Urteil in Braunschweig in einer anderen Sache zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Hoppe zufolge hielt sich der Verdächtige zwischen 1995 und 2007 fast ausschließlich in Portugal auf und lebte dort in einem Haus zwischen den Orten Praia da Luz und Lagos. Ein britischer Ermittler beschreibt den Verdächtigen gegenüber der Daily Mail als etwa 1,80 Meter großen Mann mit kurzen, blonden Haaren und hellem Teint. Er wirke jünger, als er tatsächlich sei. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig will sich am Donnerstag auf SZ-Nachfrage „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht dazu äußern, warum sich die Spur zu dem 43-Jährigen gerade jetzt konkretisiert hat. Auch den Bericht der Braunschweiger Zeitung will ein Sprecher unkommentiert lassen. Für den Beschuldigten gelte nach wie vor die Unschuldsvermutung.

Auffällig geworden mit Rauschgiftdelikten und Diebstählen

Aus diesem Grund nennt Hoppe am Vorabend auch keinen Namen – dafür Details aus dem Leben des Mannes zum Zeitpunkt von Maddies Verschwinden. Der damals 30-Jährige habe sich an der Algarve mit Gelegenheitsjobs in der Gastronomie ernährt. Er sei aber auch mit Rauschgiftdelikten und Einbruchdiebstählen in Hotels und Ferienwohnungen auffällig geworden. Der Mann sei zudem zweimal wegen sexuellen Missbrauchs von Mädchen vorbestraft gewesen – dieser Umstand „dürfte aber den meisten Kontaktpersonen in Portugal verborgen geblieben sein“, so der Ermittler.

Ein sexuelles Motiv sei im Fall Maddie nicht ausgeschlossen, sagt Hoppe, es sei aber auch möglich, dass der Mann ursprünglich nur in das Apartment der McCanns habe einbrechen wollen, und dann die Gelegenheit für einen sexuellen Übergriff gesehen habe. Dass sich der heute 43-Jährige am fraglichen Abend in der Nähe der Ferienanlage aufhielt, belegen demnach Handydaten.

Zum Tatzeitpunkt habe der Tatverdächtige mit seinem Mobiltelefon mit der portugiesischen Nummer +351 912 730 680 einen Anruf von einem anderen portugiesischen Anschluss erhalten. Die Nummer des Anrufers lautete: +351 916 510 683. Dieser Gesprächsteilnehmer habe sich während des Telefonats nicht in Praia de Luz aufgehalten, sei für die Ermittler aber dennoch „ein sehr, sehr wichtiger Zeuge“ und werde dringend gesucht. Wer Informationen zu diesen beiden Nummern habe, möge sich an das BKA wenden, appelliert der Ermittler. Für Hinweise hat das Bundeskriminalamt eine eigene Webseite eingerichtet: bka.hinweisportal.de. Zudem gibt es einen offiziellen Fahndungsaufruf.

Der Verdächtige nutzte auffällige Fahrzeuge

Auch bei weiteren Tatdetails hofft die Polizeibehörde auf die Mithilfe der Bevölkerung, unter anderem beim mutmaßlichen Tatfahrzeug. Demnach fuhr der verdächtige 43-Jährige im fraglichen Zeitraum zwei auffällige Fahrzeuge – einen auberginefarbenen Jaguar XJR6 mit deutschem Kennzeichen sowie einen weiß-gelben VW-Bus, Modell T3 Westphalia, mit portugiesischem Kennzeichen. Der Jaguar soll mal eine Münchner, mal eine Augsburger Zulassung gehabt haben. Der VW-Bus gehörte nicht dem Verdächtigen, er nutzte ihn aber offenbar mit Einverständnis des Halters. Wer Angaben zu Aufenthaltsorten und Nutzern dieser Fahrzeuge rund um den 3. Mai 2007 machen kann, wird ebenfalls gebeten, sich beim BKA zu melden.

Mit diesem Fahrzeug soll der verdächtige 43-Jährige im Frühjahr 2007 in Praia da Luz und Umgebung unterwegs gewesen sein.
(Foto: AFP)

Mit diesem Fahrzeug soll der verdächtige 43-Jährige im Frühjahr 2007 in Praia da Luz und Umgebung unterwegs gewesen sein.(Foto: AFP)

Zum Ende seines etwa 20-minütigen Auftritts in der Aktenzeichen-XY-Sendung wendet sich Hoppe dann direkt an die Zuschauer. Er bittet Personen, die ebenfalls Opfer geworden seien und den 43-Jährigen als möglichen Täter erkannt hätten, sich zu melden. Es sei zudem nicht auszuschließen, dass es neben dem eigentlichen Täter Personen gebe, „die Wissen zum Tathergang, vielleicht sogar zum Ablageort der Leiche haben, ohne selbst Mittäter zu sein“. „Bitte teilen Sie uns Ihr Wissen mit“, appelliert der Ermittler. Jedes noch so kleine Detail sei von immenser Bedeutung. „Denken Sie bitte an die Schwere der Tat und an die Folgen für die Opfer und Angehörigen.“ Auf Wunsch könnten Hinweise vertraulich behandelt werden.

Maddies Eltern wurden in einer Mitteilung von Scotland Yard mit den Worten zitiert: „Wir werden niemals die Hoffnung aufgeben, Madeleine lebend zu finden, aber was auch immer herauskommen sollte, wir müssen es wissen, weil wir Frieden finden müssen.“ Weiter wollten sich Kate und Gerry McCann nicht äußern, sagte ein Sprecher in London – „sie wollen, dass sich nun alles auf die Ermittlungen konzentriert“.

Quelle: Sueddeutsche.de